Versuch über das Suggestive der Medien

Hamburg, den 8. April 1999
Abgedruckt in: Maset, Pierangelo (Hg.): Pädagogische und psychologische Aspekte der Medienästhetik. Beiträge vom Kongreß der DGfE 1998 „Medien-Generationen“, Opladen: Leske + Budrich 1999, S. 177 – 194.

“ … weil unterdes die Entdeckung gemacht wurde, welche Denkersparnis mit der Anwendung des Schlagwortes ‚Suggestion‘ verbunden werden kann. Weiß doch niemand und bekümmert sich auch niemand zu wissen, was die Suggestion ist, woher sie rührt und wann sie sich einstellt; genug, daß man alles im Psychischen Unbequeme ‚Suggestion‘ heißen darf.“ Sigmund Freud(1)

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Medien haben unkalkulierbare Wirkungen, sagt man. Über einige der Wirkungen scheint man genau Bescheid zu wissen, sonst könnte man sie nicht prädizieren: etwa mit „wertvoll“ oder eben „jugendgefährdend“.
Auch Werbefirmen scheinen über die Wirkung unterschiedlicher medialer Präsentation sich im klaren zu sein. Sie könnten sonst nichts verkaufen wollen. Aber gerade die letzteren setzen auf Wirkungen, die nicht ganz dem Bewußtsein zugänglich sein sollen, um auf Umwegen über eine Verführung zum Ziel zu kommen. So behauptet es ein Klassiker der Medien- und Werbewirkung schon im Titel: Vance Packard: Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewußten in jedermann. Düsseldorf 1958.
Nicht nur die Werbung steuert Umwege an. Neben der manifesten Aussage in den Medien wird mit einer direkten Wirkung operiert, deren Umwegigkeit die eigentliche Wirkung ist. Diese Wirkung kommt dadurch zustande, daß sie nicht die umständliche und in ihrer Kapazität beschränkte Kontrolle der bewußten Apperzeption durchläuft.
Medien seien suggestiv, sagt man.
Nicht nur bringt die Anwendung des Schlagwortes „Suggestion“ eine Denkersparnis – wie Freud schreibt -, weil schwer zu bestimmen ist, was dieses Wort meint, sondern die Suggestion selber, die Bereitschaft zur Suggestion auf der passiven wie auf der aktiven Seite ist schon eine Ersparnis, die Ersparnis der Durcharbeitung. Eine Ersparnis ist nicht immer zu verwerfen und nicht einmal immer zu vermeiden.
Unbequem
Alles im Psychischen Unbequeme wird – so Freud – mit Suggestion bezeichnet. Was ist das im Psychischen Unbequeme? Es ist das, was in die Verrücktheit zu treiben droht, das, was unruhig macht, was keine (abschließenden) Sinn erkennen läßt, eben das, wovon man nicht genau weiß, woher es kommt und wohin es führt…
Anmerkungen
1) Freud, Sigmund (1909): Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben. In: Ders.: Gesammelte Werke (1906 – 1909), Bd. VII, Frankfurt am Main: Fischer 1972, S. 243 – 377, S. 337.
Zur vollständigen Version (pdf): versuch_suggestives.pdf